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Dr. med. Ilyas Tugtekin, Oberarzt für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Ulm, wirkt in der ghanaischen Großstadt Kumasi am Aufbau eines Weiterbildungszentrums zur Ultraschallanwendung für Ärzte aus ganz Westafrika mit. 

Mit finanzieller Unterstützung der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) zur Förderung medizinischer Forschung und medizinisch-humanitärer Projekte reiste ein fünfköpfiges Expertenteam für eine Woche nach Ghana, um am Komfo Anokye Teaching Hospital (KATH), dem mit 1.000 Betten zweitgrößten Krankenhaus des Landes, medizinisches Fachpersonal aus der ganzen Region in die Anwendung POCUS-geführter regionaler Nervenblockaden und anderer ultraschallgeführter Techniken einzuweisen. Hier stellt Dr. Tugtekin das Programm vor und berichtet von den Erfahrungen, die er dabei gemacht hat.

Regionale Nervenblockaden sind für die verschiedensten Eingriffe – von der Unfallchirurgie bis hin zur Orthopädie – bestens geeignet. Sie können als alleiniges Narkosemittel bei ambulanten Operationen oder in Kombination mit einer Allgemeinnarkose zur postoperativen Schmerzlinderung eingesetzt werden. Die Ultraschallführung ist für eine effiziente und wirksame Regionalanästhesie unverzichtbar. Ich selbst setze diese Technik seit mittlerweile über 12 Jahren in der Unfall- und orthopädischen Chirurgie ein, und zwar insbesondere bei Eingriffen im Handbereich.

 

Vor etwa 12 Jahren kamen zwei Ärzte aus Kumasi nach Ulm und machten dort die Ausbildung zum Facharzt in Anästhesie. Die Anwendung von Point-of-Care-Ultraschall zur Führung von Venenzugängen und Regionalblockaden gehörte zu den Lerninhalten. Ihnen wurde sehr schnell klar, wie viel Potenzial diese Technik auch für Krankenhäuser in ihrer ghanaischen Heimat versprach. Kumasi ist eine Großstadt mit über zwei Millionen Einwohnern, die aufgrund der schlechten Straßen und unzureichenden Arbeitsschutzgesetze verglichen mit westlichen Großstädten ein sehr hohes Aufkommen an Unfällen aufweist, wobei Patienten häufig von Verwandten oder mit dem Taxi ins Krankenhaus gebracht werden.

Gerade für Ärzte in Schwellenländern bieten ultraschallgführte Regionalanästhesien und Venenzugänge große Vorteile, da Operationen in kürzerer Zeit und zugleich sicherer durchgeführt werden können. Auch die postoperative Genesung lässt sich dadurch beschleunigen und das Auftreten von Komplikationen reduzieren. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Ghana führte ich am KATH zunächst eine Weiterbildung im kleinen Rahmen durch. Viele Ärzte in der Region sind hochmotiviert, jedoch fehlen ihnen die Ressourcen zur Implementierung dieser Technologie. Deswegen war es uns wichtig, in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in Kumasi vor Ort ein Weiterbildungsprogramm und ein Zentrum für ultraschallgeführte Verfahren aufzubauen. Dank der großzügigen Unterstützung der EKFS, die sowohl den Erwerb von zwei widerstandsfähigen Point-of-Care-Ultraschallgeräten für das KATH als auch das Weiterbildungsprogramm für die dortigen Ärzte finanzierte, wurde dies nun möglich. Ein Team aus fünf erfahrenen Schulungsleitern – außer mir sind noch Dr. Wolfgang Stahl und Dr. Alexander Dinse aus Ulm, Dr. Oliver Vicent von der Universität Dresden und der österreichische Kollege Dr. Gernot Gorsewski vom Landeskrankenhaus Feldkirch dabei – flog nach Ghana, um den einwöchigen Lehrgang in Kumasi durchzuführen.

Mit insgesamt über 30 Teilnehmern, die nicht nur aus Kumasi, sondern auch aus der Hauptstadt Accra – einige sogar aus dem Libanon, Nigeria und Kamerun – kamen, stieß der Lehrgang auf großes Interesse. Im Laufe der Woche deckten wir verschiedene ultraschallgeführte Grundtechniken ab. Der Schwerpunkt lag dabei auf regionalen Nervenblockaden und Venenzugängen als den Verfahren mit den vielfältigsten Anwendungsbereichen. Statt nur Vorlesungen zu halten, legten wir die Weiterbildung primär praxisbezogen und interaktiv aus. So hatten die Teilnehmer Gelegenheit, im Rahmen der Schulung den Umgang mit den Instrumenten zu üben, an Lebendmodellen die Nerven zu suchen und an Phantomkörpern selbst Einstiche vorzunehmen. Zum Abschluss des Lehrgangs durften sie dann unter unserer Aufsicht im Krankenhaus Nervenblockaden und Venenzugänge legen.

 

Abteilungsübergreifend ergeben sich im KATH verschiedene Anwendungsbereiche für die im Zuge der Weiterbildung erlernten Ultraschalltechniken. Ein Teilnehmer interessierte sich beispielsweise für den Einsatz in der Handchirurgie. Viele seiner Patienten können nach einem unter Regionalanästhesie durchgeführten Eingriff praktisch sofort nach Hause entlassen werden und benötigen weniger postoperative Betreuung. Unter den Teilnehmern waren auch mehrere Notärzte, für die ultraschallgeführte Venenzugänge jede Menge Vorteile bieten, da sie sich im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren als sicherer, schneller und wirksamer bewährt haben. In einer Abteilung mit hohen Patientenzahlen und zu wenigen Ärzten bedeutet das ein enormes Verbesserungspotenzial.

Diese neu erworbenen Kenntnisse wären jedoch nutzlos ohne die dazugehörigen POC-Ultraschallgeräte. Daher waren wir hocherfreut, dass wir die Geräte, die wir bei der Schulung verwendet hatten, im KATH lassen konnten. Für die dortigen Bedingungen werden widerstandsfähige und transportable Instrumente benötigt, die sich problemlos zwischen den einzelnen OPs im weitläufigen Chirurgietrakt hin und her schieben und auch in der Notaufnahme einsetzen lassen. Dadurch ließen sich bei vielen medizinischen Verfahren Effizienzgewinne erzielen, was wiederum bedeutet, dass mehr Patienten behandelt werden können. Wir hoffen, den durchschlagenden Erfolg dieses Lehrgangs im nächsten Jahr wiederholen zu können. Seit meinem ersten Besuch im Jahr 2008 hat das Krankenhaus bereits umfassende Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt. Das betrifft vor allem die Notaufnahme, wo POC-Ultraschall bereits bei FAST-Untersuchungen und Lungen-Scans zur Diagnose von Pneumothorax eingesetzt wird. Beim nächsten Besuch würde ich meine ghanaischen Kollegen gerne bei der Einführung weiterer diagnostischer Ultraschallverfahren unterstützen.

Ghana kann sich insofern glücklich schätzen, als die dortige Medizinerausbildung zu den besten der Region zählt. Aktuell nehmen etwa 200 Studierende am KATH ihre Ausbildung auf, und meine Kollegen und ich freuen uns bereits darauf, der nächsten Generation von Medizinern die Vorteile dieser Technologie nahezubringen.