Dr. Enrico Storti ist Leiter der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin sowie Koordinator der Notaufnahme des Krankenhauses Maggiore im italienischen Lodi, nahe Mailand. Die COVID-19-Pandemie hat Lodi hart getroffen. Dr. Storti selbst arbeitet bei der Behandlung der Patienten und zur Eindämmung des Ausbruchs an vorderster Front.

Am 17. März interviewte Dr. Diku Mandavia, M.D., Chief Medical Officer bei FUJIFILM Sonosite, Dr. Storti, um sich ein besseres Bild von der klinischen Situation in Italien zu machen. Das Interview finden Sie auf der COVID-19-Ressourcenseite von Sonosite. Alternativ können Sie das vollständige Gespräch hier nachlesen. Zusätzlich zum Interview stellten wir Dr. Storti einige weiterführende Fragen und baten ihn um seine Meinung darüber, was die Gemeinschaft für die lokalen Krankenhäuser tun könne.

Wie geht es den Menschen in Italien in dieser Krise?

Anfangs wurde den Leuten gesagt, dass der Ausbruch nicht so schlimm sei, dass es nicht so wichtig sei, dass China weit weg ist und so weiter. Im Gespräch mit Politikern und anderen, größeren Krankenhäusern berichtete ich, wie sich die Lage hier in der Lombardei gerade entwickelte. Zunächst glaubten sie mir nicht, weil es zu viele Ansteckungen waren. Die ganze Situation war einfach zu viel, und sie dachten, ich übertreibe.

Dann schickten sie schließlich jemanden hierher, um zu sehen, was wirklich los war. Diese Person war ein Freund von mir, ein erfahrener Intensivmediziner. Ich zeigte ihm die Notaufnahme, die Überwachungsstation, die anderen Krankenstationen und meine Intensivstation. Wir gingen zum Leiter des Krankenhauses sowie unseren Berichterstattern zurück, und er traf sich mit allen wichtigen Entscheidungsträgern des Krankenhauses. Er begann zu weinen. Er war, bitte glauben Sie mir ... er ist, genau wie, ich 55 Jahre alt und ein absolut fachkundiger Experte, und er sagte mir: „So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Nicht zu fassen, dass so etwas in Italien passieren konnte.“

Anschließend wurde der Bericht den wichtigsten Entscheidungsträgern unserer Region (Lombardei) und den Politikern in Rom übergeben. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage eindeutig erkennbar. Tag für Tag stieg die Zahl der Infizierten an. Die Bevölkerung in Italien reagierte schneller darauf. Wie Sie wissen, befinden wir uns jetzt sozusagen in einer Art Kriegszustand. Niemand darf das Haus verlassen, alle Schulen und Gaststätten sind geschlossen.

Die italienische Bevölkerung tut gegenwärtig ihr Bestes. Sie kooperieren tatsächlich, das können Sie mir glauben. Gestern und heute Morgen war Mailand wie leer gefegt, keiner war auf der Straße. Keine Autos, niemand auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich glaube, es ist nun ganz klar, wer unser Feind ist.

Abgesehen von der reinen finanziellen Unterstützung, auf welche Art und Weise haben die Regierung und die Krankenhausverwaltung Ihnen noch dabei geholfen, sich auf die Krise einzustellen?

Meiner Meinung nach war das ein außerst wichtiger Schritt, weil sie endlich deutlich verstanden haben, dass dies wichtig für unser Land, wichtig für Europa und wichtig für die Welt ist. Es ist also offensichtlich, dass wir gegen etwas kämpfen, wofür wirklich große Investitionen erforderlich sind. Und lassen Sie mich noch einmal sagen, dass es jedem hier in Italien klar ist, was die tatsächlichen Auswirkungen sein werden: die finanziellen Folgen für unsere Wirtschaft, unsere Krankenhäuser und unser Gesundheitssystem.

Aber um ehrlich zu sein, ich finde, dass die Regierung hier in Italien die Arbeit der Ärzte und Epidemiologen und aller, die an dieser Mission beteiligt sind, voll unterstützt. Lassen Sie es mich so sagen: Es war für uns nicht besonders kompliziert, nach den notwendigen Dingen zu fragen, und noch einfacher, die richtige Unterstützung zu erhalten.

Was hätte man zu Beginn, in den ersten drei oder vier Wochen, anders machen können, um die Situation zu verbessern?

Es war allen Ärzten von Anfang an klar, dass es sich hierbei um eine Situation handelt, die es so noch nie gegeben hat. Und ich glaube, dass mehr oder weniger alle unsere Ärzte sofort verstanden haben, dass wir nicht wie gewohnt vorgehen konnten. Zum Beispiel werden wir in der Notaufnahme derzeit von einem Kollegen aus der kardiologischen Abteilung unterstützt, während in der Chirurgie inzwischen alle nicht notwendigen Eingriffe eingestellt wurden – nicht nur in meinem Krankenhaus, sondern in ganz Italien. So helfen Chirurgen zum Beispiel in der Notaufnahme und bei all den Patienten, die sie normalerweise nicht versorgen. Sie haben genau verstanden, dass ein Arzt jetzt ein Arzt ist – kein Kardiologe, kein Intensivmediziner, kein Neurologe.

Zum Beispiel haben wir etwa 250 Betten für Patienten, die positiv getestet wurden. Damit meine ich keine Intensivbetten, keine Betten auf der Intensiv- oder Überwachungsstation. Wir haben diese Bereiche komplett neu errichtet. Es gab sie vorher nicht. Wir haben alle verfügbaren Ärzte für die Versorgung dieser Patienten herangezogen. Und dabei es spielt keine Rolle, ob jemand Orthopäde, Kardiologe, Chirurg oder Herzchirurg ist. Jeder, der in der Lage ist, zu helfen, wird uneingeschränkt eingesetzt. Das gilt auch für das Pflegepersonal. Pflegekräfte aus der nephrologischen Abteilung arbeiten jetzt auf der Intensivstation. Alle, die helfen können, sind im Einsatz. Sie arbeiten an vorderster Front.

Was kann der Durchschnittsbürger, der nicht direkt in die medizinische Versorgung involviert ist, unternehmen, um das örtliche Krankenhaus zu unterstützen?

Meiner Meinung nach ist es jetzt wichtig, dass sich wirklich alle engagieren und zu Hause bleiben. Nur wenn alle zu Hause bleiben, kann die weitere Verbreitung des Coronavirus eingedämmt werden. Das ist mittlerweile ein Mantra in Italien. So leisten alle – auch die Regierung, die Fabriken, Schulen, Lehrer, Schauspieler – einen Beitrag, indem sie alle anderen dazu auffordern, zu Hause zu bleiben.

Direkt vor diesem Gespräch habe ich mit Hilfe der italienischen Armee ein kurzes Video aufgenommen. In diesem Videoclip sagen ein Armeeleutnant und ich selbst: „Wir tun hier unser Bestes. Wir kämpfen hier. Wir arbeiten als Team – die Armee und die Krankenhausärzte. Wenn Sie helfen, Ihren Beitrag leisten und uns die Arbeit erleichtern möchten, bleiben Sie bitte zu Hause.”

Es gibt auch eine große Zahl von Menschen, die uns anonym und aus eigener Initiative heraus finanziell unterstützen. Auch das ist also eine Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten. Um den Virus zu stoppen, ist nun aber vor allem Eines wichtig: zu Hause zu bleiben.

Das ist ein sehr guter Ratschlag. Ich glaube, auch die Amerikaner beginnen, diesbezüglich allmählich aufzuwachen.

Aber dies gilt nicht nur für Amerika. Vor zwei Tagen habe ich an einer Telefonkonferenz mit der britischen Gesellschaft für Intensivmedizin teilgenommen. Ich war der einzige ausländische Redner. Und einige Ärzte waren sehr besorgt darüber, was passieren wird. Aus der Sicht der Politik war die Lage jedoch ziemlich verworren. Meine Botschaft lautete: „Bitte seien Sie vorsichtig. Wenn die Prognose unserer Epidemiologen stimmt, sind Sie Italien 10 bis 15 Tage voraus. Das heißt, Sie haben 10 bis 15 Tage Zeit, um darüber nachzudenken, was Sie unternehmen wollen. Bitte nutzen Sie diese Zeit, den Ernst der Lage abzuschätzen und zu verstehen, dass sich der Virus wahrscheinlich auch in Ihrem Land verbreiten wird. Und wenn Sie nicht gut vorbereitet sind, wird es in Großbritannien, genau wie in Italien, Frankreich oder Deutschland, zu katastrophalen Auswirkungen kommen.”

Sie haben soziale Medien, einschließlich LinkedIn, genutzt, um Beiträge zu veröffentlichen. Was denken Sie? Welche Rolle können die sozialen Medien im Umgang mit COVID-19 spielen? Gibt es Dinge, die Sie den Leuten empfehlen würden, was sie mit Twitter, LinkedIn, Facebook oder anderen Social-Media-Kanälen machen sollten?

Bekanntermaßen hegen soziale Medien ein durchaus großes Potenzial, sie können aber auch Schaden anrichten. Aus diesem Grund muss man sich in den sozialen Medien immer auf medizinische Experten beziehen. Man sollte Personen vermeiden, die keine Titel tragen, keine Funktion innehaben und keine transparente und angemessene Botschaft zu vermitteln haben. Wie gesagt, soziale Medien sollen und können ein sehr wichtiges Instrument sein, man muss damit aber auch sehr vorsichtig umgehen. Und wenn man etwas in den sozialen Medien veröffentlicht, trägt man für diese Beiträge auch die Verantwortung.

Gibt es noch andere Dinge, die Sie uns mitteilen möchten?

Meiner persönlichen Meinung nach besteht die starke Botschaft darin, dass man angesichts einer solchen Krisensituation mit vielen Erkrankten, wie wir sie jetzt erleben, seine Arbeitsweise ebenfalls anpassen muss. Man muss verschiedene Dinge tun. Ultraschall am Krankenbett ist sowohl flexibel als auch wertvoll, nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die Überwachung der Patienten. Und Ultraschallkenntnisse sind ein weiterer wichtiger Vorteil beim Einsatz am Point-of-Care. Damit kann man seine Arbeitsweise sehr effizient ändern. Ich habe hier viele Personen erlebt, die Dinge anders gemacht haben, nur weil sie Zugriff auf ein Ultraschallsystem hatten. Wie Sie bereits erwähnten, war es also einfacher, die Tätigkeitsbezeichnung neu zu definieren, wenn man ein Ultraschallgerät besitzt. Und Ultraschall ist das perfekte Werkzeug dafür. Das ist die Botschaft, die ich Ihnen mitgeben möchte.